Nachhilfeinstitut: Umsatzsteuerbefreiung?
Frage
Ein Kollege und ich haben eine Nachhilfeschule gegründet als GbR. Noch fallen wir unter die Kleinunternehmergrenze, so dass wir keine Umsatzsteuer abführen. Jedoch wachsen wir stetig, sodass sich das bald erledigt haben dürfte. Ich habe gelesen, dass sich unter anderem auch Nachhilfeinstitute von der Umsatzsteuer befreien lassen können. Wir haben jedoch keine eigenen Unterrichtsräume und die Nachhilfelehrer geben die Nachhilfe beim Kunden zu Hause. Ist eine Befreiung trotzdem möglich?
Antwort
Nach dem unten im Wortlaut wieder gegebenen Erlass des hessischen Finanzministeriums sind die Leistungen der privaten Anbieter von Nachhilfe unter den dort genannten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit. Der Erlass ist m.E. verständlich formuliert, so dass sich die Voraussetzung dort entnehmen lassen.
Zuständig für die Bescheinigungen sind in NRW die Bezirksregierungen. Ein Merkblatt der Bezirksregierung Köln finden Sie exemplarisch hier:
www.bezreg-koeln.nrw.de (www).
Nach einem Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 16.06.2011 (6-K-165/10) können Sie sich aber auch unmittelbar auf Art 132 Abs. 1 Buchst. I RL 2006/112/EG berufen und benötigen keine Bescheinigung.
Gleichwohl empfehle ich Ihnen, die Bescheinigung zu beantragen. Damit erlangen Sie Rechtssicherheit, denn die Bescheinigung hat die Wirkung eines Grundlagenbescheides und wird durch die Finanzverwaltung nicht weiter überprüft oder in Frage gestellt.
Erlass des Hessischen Ministeriums der Finanzen, S-7179 A - 30 - II 51bek. OFD Frankfurt am Main S-7179 A - 7 - St 112 vom 19.12.2006
Erlass vom 05.12.2006:
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG Besteuerung der Anbieter privater Nachhilfe.
Es ist gefragt worden, auf welcher Grundlage die Steuerbefreiung der Leistungen privater Anbieter von Nachhilfe beruht:
Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemein bildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Unternehmer, die Kurse zur Erteilung von Nachhilfeunterricht für Schüler anbieten, können nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG eine allgemein bildende Einrichtung sein und somit steuerfreie Leistungen erbringen, wenn sie auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Das ist grundsätzlich der Fall, sofern nicht nur die Erledigung von Schulaufgaben beaufsichtigt wird, ohne dass bei der Verarbeitung des schulischen Unterrichtsstoffes erklärende Hilfe geleistet wird (Urteil des BVerwG vom 03.12.1976, VII C 73.75, BStBl. 1977 II S. 334).
§ 4 Nr. 21 Buchst. a UStG beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL (ab 01.01.2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. i RL 2006/112/EG).
Nach dieser zwingend in nationales Recht umzusetzenden Vorschrift sind insbesondere der Schulunterricht sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen befreit. Die Befreiung gilt explizit auch für andere - nicht öffentliche - Einrichtungen. Die Anerkennung vergleichbarer Zielsetzungen bestimmt sich nach dem Recht der Mitgliedstaaten.
Auf eine bestimmte Rechtsform der "Einrichtung" im Sinne dieser Vorschrift kommt es nicht an. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 07.09.1999 - C-216/97 - Gregg/Gregg) umfasst der Begriff der "Einrichtung" auch natürliche Personen.
Die Erteilung von Nachhilfeunterricht dient der Festigung des im Schulunterricht vermittelten Lernstoffes. Auch wenn dabei kein neuer Lernstoff vermittelt wird, handelt es sich bei dem Nachhilfeunterricht zumindest um eine mit dem Schulunterricht eng verbundene Dienstleistung.
Die Begriffe "Schul- und Hochschulunterricht", "Ausbildung" und "Umschulung" setzen zwar dem Wortlaut nach die Vermittlung neuen Lehrstoffes voraus. Durch die Aufnahme der "damit eng verbundenen Dienstleistungen" in die Befreiungsvorschrift hat der Richtliniengeber zu erkennen gegeben, dass es ihm an dieser Stelle auf die Vermittlung neuer Lerninhalte nicht ankommt (vgl. Abschn. 112 Abs. 2 S. 4 - 6 UStR).
Der Anbieter privater Nachhilfe hat kein Wahlrecht, ob er die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG in Anspruch nehmen will. Die für die Erteilung der Bescheinigung zuständige Landesbehörde (die staatlichen Schulämter - Anlage 1 zur USt-Karteikarte § 4 Nr. 21 - S 7179 - Karte 4, Tz. 4) kann nicht nur vom Unternehmer, sondern auch von Amts wegen eingeschaltet werden (Abschn. 114 Abs. 2 Satz 1 UStG).
Quelle:
Dipl.-Finanzwirt Ludger van Holt
- Steuerberater -
Pudell und Partner
Steuerberaterkammer Düsseldorf
Oktober 2013